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  • Juni 2025
  • FVM News

Bitcoin und Co., ein „Must-have“ im Depot?

Die Meinungen beim Thema Kryptowährungen als Anlageform gehen weit auseinander: Die einen sehen in ihnen eine Alternative zum ewig glänzenden Gold, die anderen halten sie für einen Hype ohne werthaltige Basis.

Wer hat recht?

Kolumne von FVM-Geschäftsführer Claus Walter

Manchmal treiben die Märkte seltsame Blüten und das sogar quasi im wörtlichen Sinne. Denn als eines der berühmtesten Beispiele gilt dafür die sogenannte Tulpenmanie in Amsterdam und anderen holländischen Orten in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Seltene Blumenzwiebeln wurden damals laut einigen Quellen plötzlich zu horrenden Preisen gehandelt und für einzelne Tulpensorten angeblich Angebote abgegeben, für die sich die Käufer mehrere Wohnhäuser in den berühmten Amsterdamer Grachten hätten leisten können. Erinnert Sie das an etwas? Bitcoins waren im Jahr 2010 noch ein Produkt für computerverrückte Nerds, das für wenige Cent gehandelt wurde. Heute liegt der Wechselkurs bei mehr als 110.000 Dollar, und manche Spezialisten überbieten sich mit weiteren Preisfantasien: 200.000 Dollar bis zum Jahresende, 1,5 Millionen Dollar in den nächsten Jahren, langfristig sei das Wachstumspotenzial quasi unbegrenzt und Kurse von bis zu 28 Million Dollar möglich. Aber welcher tatsächliche Wert steht dahinter? Wahrscheinlich weniger als bei einer Blumenzwiebel, denn genau genommen werden hier nur Blockchaindatenpakete gehandelt, die eine Kauf- und Verkaufshistorie enthalten. Bei den Tulpen blieb am Ende wenigstens noch die Chance auf eine hübsche Pflanze. Sollten Anleger von Kryptowährungen also besser die Finger davon lassen?

Interessant und riskant
Bei einem genauen Blick ist das nicht so einfach zu beantworten. Denn der Preis von Kryptowährungen definiert sich über Angebot und Nachfrage. Momentan trifft ein technologisch begrenztes Angebot auf eine steigende Nachfrage, insbesondere von immer mehr institutionellen Anlegern - das reicht von ETF-Anbietern sogar bis zu Zentralbanken. Auch der amtierende US-Präsident, dessen Familie mit der eigenen Trump-Coin am Markt ist und der Kryptowährungen als Goldalternative für Zentralbankreserven ins Gespräch gebracht hat, könnte ein Preistreiber sein. Besteht also die Möglichkeit, dass die Preise für Bitcoin und Co. weiter steigen? Ja, dafür lassen sich einige Argumente finden. Trotzdem nutzen wir als Vermögensverwalter, der die Verantwortung für das Kapital unserer Kunden trägt, diese Option nicht. Aus folgenden Gründen. Alle Interessierten sollten sich darüber im Klaren sein, dass der Wert eines Bitcoins oder einer seiner Klone keine wirklich dahinterstehende Substanz hat, die sich seriös bewerten lassen würde - vergleichbar etwa den Maschinen oder Gebäuden eines Unternehmens bei Aktien. Der Markt ist zudem weitestgehend unreguliert, und es ist kein Naturgesetz, dass sich nicht irgendwann Staaten dazu genötigt fühlen, hier Spielregeln aufzustellen oder Zentralbanken mit einem eigenen Angebot für Konkurrenz sorgen. Auch das Argument, dass die Anonymität von Kryptowährungen ein Vorteil sei, hat bereits einige Risse bekommen. Geschäfte mit virtuellen Coins müssen zum Beispiel den deutschen Finanzämtern lückenlos nachgewiesen werden. Das stellte ein Schreiben aus dem Finanzministerium Anfang 2025 klar. Anleger sind noch nach Jahren in der Beweispflicht, und wenn sie die Nachweise nicht liefern, kann die Behörde großzügig schätzen, was selten zum Vorteil der Steuerpflichtigen ausfallen dürfte. Nicht nur deswegen sollten sich alle, die auf weitere Gewinne bei Kryptowährungen spekulieren, darüber im Klaren sein: Bitcoin und Co. sind kein Freifahrtschein und ein Totalverlust ist jederzeit möglich.

Wertbewahrende Alternativen
Gibt es morgen, nächste Woche oder nächstes Jahr den großen Kryptocrash? Wahrscheinlich nicht. Eine Beimischung kann sich also unter einem reinen Gewinnmaximierungsaspekt lohnen. Wir als Vermögensverwalter setzen trotzdem lieber auf eine Mischung aus Aktien von wachstums- und substanzstarken Unternehmen, auf Anleihen von soliden Schuldnern und auf klassische Edelmetalle wie Gold, das seit Jahrtausenden seine Werthaltigkeit bewiesen hat. Denn hier sehen wir ein gutes und ausgewogenes Verhältnis von Chancen und Risiken. Natürlich kann es auch da zu Wertschwankungen kommen, und wahrscheinlich werden diejenigen, die auf Kryptogewinne spekulieren, noch häufiger auf Partys von enormen Zuwächsen berichten. Aber der Aufbau von Vermögen und das Bewahren von Werten über Jahrzehnte und Generationen hinweg ist kein Sprint, sondern ein Langstreckenlauf. Uns ist es wichtig, dass unsere Kunden auch in schwierigen Phasen an den Märkten - die es übrigens auch schon mehrfach am Kryptomarkt gab - gelassen bleiben können. Es ist sehr selten, dass alle unsere unterschiedlichen Anlageklassen gleichzeitig leiden, ein Totalverlust ist denkbar unwahrscheinlich. Die Erfahrung lehrt uns, dass sich Vermögen mit einer ausgewogenen Mischung langfristig bewahren und für die Zukunft positionieren lässt. Das heißt allerdings nicht, dass wir das Thema Blockchaintechnologie und digitale Währungen als Investmentwerkzeug grundsätzlich ausschließen. Wir haben es auf dem Schirm und beobachten die Entwicklung genau. Es kann sichin der Zukunft durchaus zu einem Thema für uns entwickein. Aber wir fangen auch nicht einfach an, Blumenzwiebeln zu jedem Preis zu kaufen, nur weil das plötzlich in ist. Das ist zumindest unsere Lehre aus der Geschichte, und diese Erkenntnis ist auch nach mehr als 400 Jahren sicher nicht veraltet.

Die PDF wurde uns vom regionalen Wirtschaftsmagazin netzwerk südbaden zur Verfügung gestellt: netzwerk südbaden