• November 2024
  • FVM News

Deutsche Telekom: Kein Börsenschreck mehr

Jahrelang verbanden viele Deutsche mit dem Thema Aktien und der Farbe Magenta hohe Verluste. Aber gerade langfristige Sparer sollten dieses Anlegertrauma jetzt endlich überwinden, nüchtern Chancen analysieren und breit gestreut investieren.

Kolumne von FVM-Geschäftsführer Claus Walter

„Wenn die Telekom jetzt an die Börse geht, geh' ich mit." Diesem Spruch des beliebten Schauspielers Manfred Krug in Werbespots für den ersten Börsengang der Deutschen Telekom folgten 1996 rund 1,9 Millionen Privatanleger. Die sogenannte Volksaktie des Kommunikationsdienstleisters wurde mit jeder Menge Euphorie an den Märkten eingeführt. Tatsächlich sah auch alles zunächst nach eitel Sonnenschein aus: Vom Ausgabepreis, der umgerechnet bei 14,57 Euro lag, stieg das Papier auf mehr als 100 Euro im März 2000. Doch dann platzte die Dotcom Blase, der 11. September 2001 schockte die Welt, und die Zweifel am Management des schillernden Telekom-Chefs Ron Sommer wuchsen. Die Aktie stürzte auf unter 10 Euro - mehr als 90 Prozent Wertverlust vom Alltime-High. Selbst der erste Ausgabepreis wurde jahrelang nicht mehr erreicht. Daraufhin wendeten sich viele Kleinanleger, die oft zum allerersten Mal an der Börse investiert hatten, mit Schrecken ab. Sein Geld in Aktien anzulegen, war auf einen Schlag wieder nur etwas für Zocker. Der Telekornschock wirkt in der deutschen Sparkultur noch immer nach. Zu Recht? 

Als Vermögensverwalter würden wir nie empfehlen, nur auf einen einzelnen Wert zu setzen, sondern immer mehrere Eisen im Feuer zu haben. Aber selbst wenn jemand 1996 das Magenta farbige Volkspapier als Einzelwert gekauft und die Telekom­Aktie einfach nur behalten hat, ist man unter dem Strich nicht so schlecht damit gefahren: Heute steht sie bei um die 28 Euro. Das ist auf einen Zeitraum von über einem Vierteljahrhundert sicher keine traumhafte Wertsteigerung, aber immerhin fast eine Verdopplung. Zusätzlich wurden noch Dividenden in einer Gesamthöhe von fast 17 Euro pro Aktie ausbezahlt. Unterm Strich hat ein Telekom-Aktionär der ersten Stunde, der das Papier jetzt verkauft, das eingesetzte Kapital-ohne Einberechnung möglicher Steuerlasten und ohne Wiederanlage-in etwa verdreifacht. 

Hätte er das Vermögen breiter, etwa in die deutschen Standardwerte des DAX oder in eine weltweite Mischung wie den MSCI World investiert, wäre das Ergebnis noch besser gewesen. Inklusive reinvestierter Dividenden hätte man damit sein Investment um den Faktor 7 bis 8 vergrößert. Allerdings darf man eines bei diesen schönen Zahlenspielen nicht vergessen: Zwischenzeitlich gab es immer wieder heftige Abstürze-etwa im Nachgang der Finanzkrise 2008 -, und auch das ein oder andere Unternehmen, das es 1996 noch gab, existiert heute nicht mehr. Aktionäre müssen Schwankungen aushalten können und auch das Risiko eines Totalverlustes einkalkulieren. Aber wer sich ordentlich informiert, Risiken bewusst einkalkuliert und diversifiziert, hat langfristig meist sehr gute Chancen. 

Deutsch ist die Telekom eher nicht mehr 
Die Deutsche Telekom ist nicht nur ein gutes Beispiel dafür, dass es wichtig ist, an der Börse langfristig zu denken. Das Beispiel des Konzerns lädt auch dazu ein, genau hinzusehen, was man sich ins Depot holt. Denn trotz ihres Namens erlöst die Deutsche Telekom rund 63 Prozent des Umsatzes in den USA. 2023 stammten laut Geschäftsbericht nur rund 25,2 Milliarden Euro der 112,0 Milliarden Euro Gesamtkonzernerlöse aus der Bundesrepublik. Deshalb ist die Telekom aber kein schlechtes Investment - im Gegenteil: Angesichts der derzeit in Europa verhaltenen und in Deutschland sogar relativ schlechten Wirtschaftsstimmung ist der hohe US-Umsatz von Vorteil. Im Vergleich zu den Mitbewerbern bescheinigen viele Analysten der Deutschen Telekom überdurchschnittliche Wachstumschancen. Aber es sollte jedem, der sich das Magenta-Papier ins Depot holt, klar sein, dass er trotz des Namens Deutsche Telekom deutlich mehr in den USA investiert als vor der Haustür. Ähnliches gilt übrigens für viele Werte aus dem DAX. Schätzungen gehen davon aus, dass nur etwa 18 Prozent der Umsätze der dort enthaltenen 40 Unternehmen in Deutschland erzielt werden. Die restliche Eurozone, USA und Asien sind für die Entwicklung unseres Börsenbarometers deutlich wichtiger als die hierzulande gerade vorherrschende Konjunkturskepsis. 

Vermögen mit Sinn und Verstand positionieren 
In einem wirtschaftlichen Umfeld, in dem die Inflationsbekämpfung Erfolge zeigt und die Zentralbanken die Zinsen senken, spricht viel für eine gute Stimmung an den globalen Aktienmärkten in den nächsten Monaten. Zudem wird voraussichtlich der neue Präsident in den USA den Kurs der schuldenfinanzierten Wirtschaftsstützung im nächsten Jahr fortführen, was direkt oder indirekt vielen börsennotierten Unternehmen unabhängig vom Standort des Hauptsitzes zugutekommen wird. 
Also alles in Aktien investieren? Wir empfehlen eher auf verschiedene, möglichst voneinander unabhängige Anlageklassen zu setzen. Denn trotz der gerade global eher börsenfreundlichen Grundstimmung, darf man die Risiken nie vergessen. Etwa aufgrund geopolitischer Konfliktfelder wie der Ukraine, im Nahen Osten oder dem chinesischen Meer, die im Prinzip jederzeit eskalieren und zu wirtschaftlichen Verwerfungen führen können. Deswegen verteilen wir Kapital stets auch auf festverzinsliche Anlageformen oder auf Edelmetalle wie Gold, die Stabilität in eine intelligent aufgebaute Anlagestruktur bringen können, wenn die Stimmung dreht. 
Um Vermögen langfristig zu erhalten, ist es aus unserer Sicht jedoch unumgänglich, mit Sinn und Verstand auch auf die wirtschaftliche Kraft von Unternehmen zu setzen, die sich an die Transformationsprozesse unserer Zeit anpassen können. Auch in Finanzfragen gilt es, Antworten auf die großen Themen Demographie, Dekarbonisierung, Deglobalisierung und Digitalisierung zu finden. Wir empfehlen mit kühlem Kopf, die Chancen und Risiken an der Börse abzuwägen. Hier könnte dann trotz der schwierigen Historie auch die Deutsche Telekom interessant sein - ganz unabhängig von Euphorie oder Anlegertrauma.

Die PDF wurde uns vom regionalen Wirtschaftsmagazin netzwerk südbaden zur Verfügung gestellt: netzwerk südbaden