- Oktober 2024
- FVM News
Nicht nur vor der eigenen Haustür investieren
Vielfalt ist auf Dauer im Aktienportfolio eine bessere Wahl, als nur auf bekannte deutsche Werte zu setzen. Mit einer gut ausbalancierten Mischung von Anlagezielen kann man Renditechancen nutzen, ohne
große Einzelrisiken einzugehen.
Kolumne von FVM-Geschäftsführer Claus Walter
Es gibt zweifelsohne tolle deutsche Unternehmen, und gerade in unserer Heimatregion rund um Freiburg finden sich attraktive Hidden Champions. Doch wer sein Vermögen stabil und zukunftsorientiert aufstellen will, sollte beim Investieren nicht nur auf regionale Werte setzen. Profis sprechen vom „Horne Bias" Effekt, wenn deutsche Anleger hauptsächlich heimische Werte im Depot haben, obwohl der deutsche Aktienmarkt nur etwa 1,5 Prozent der globalen Marktkapitalisierung ausmacht. Warum ist es sinnvoll, vielleicht auch einen Autohersteller aus China oder ein E-Commerce Unternehmen aus Uruguay im Depot zu haben?
Ein gutes Argument dafür ist die derzeitige Stimmungslage in Deutschland, denn nicht nur der Automobilkonzern VW ist in einer schwierigen Situation. Der ifo-Geschäftsklimaindex, der bei 9.000 Führungskräften misst, wie sie die momentane Lage und die Aussichten ihrer Unternehmen für die nächsten sechs Monate einschätzen, sank im September auf den tiefsten Stand seit Januar. Die Volkswirte aus München sehen das als Vorzeichen einer weiteren Konjunkturabkühlung. ,,Die deutsche Wirtschaft gerät immer stärker unter Druck", fasst ifo-Präsident Giemens Fuest zusammen. ,,Die Kernbranchen der deutschen Industrie stecken in Schwierigkeiten."
Das bedeutet nicht, dass die deutsche Börse einbricht. Der DAX ist auf Jahressicht-Stand Ende September 2024-noch immer rund 22 Prozent im Plus. Das Auf und Ab an der Börse wird von vielen Faktoren beeinflusst, wie der Zinspolitik der Notenbanken und langfristigen Erwartungen, die weit über den Horizont von sechs Monaten hinausgehen. Aber im Vergleich zu den internationalen Märkten, die zum Beispiel im Index MSCI World abgebildet werden, zeigt sich schon ein Unterschied zu den deutschen Standardwerten, der eine Folge der schlechten Stimmung sein könnte: Das MSCI World Börsenbarometer hat im gleichen Zeitraum um etwa 28 Prozent zugelegt.
Zu Hause ist nicht automatisch sicherer
Es ist verständlich, dass gerade unerfahrene Investoren trotzdem lieber auf vertraute Wertesetzen, also eher auf VW als auf den chinesischen Konkurrenten BYD oder auf Chiphersteller Infineon statt auf den US-Börsenliebling Nvidia. Dabei vergessen aber viele, dass ein deutscher Unternehmenssitz wenig über die Schwerpunkte des Geschäftsmodells aussagt. Für die Entwicklung des Volkswagen Konzerns ist zum Beispiel der chinesische Markt mit 3,2 Millionen verkauften Fahrzeugen im Jahr 2023 wichtiger als der heimische mit 1,1 Millionen. Auch die Siemensabspaltung Infineon erzielte mehr als die Hälfte der Umsätze vergangenes Jahr in der Region Asien/Pazifik und nur etwa ein Achtel in Deutschland. Wirklich deutsche Investments sind das also unterm Strich nicht.
Daneben gibt es einen ausgezeichneten Grund, warum ein rein deutsches Portfolio nicht optimal ist: Die von dem Ökonomie-Nobelpreisträger Harry Markowitz entwickelte Portfoliotheorie konnte mathematisch nachweisen, dass es vorteilhaft ist, seine Anlagen auf möglichst viele verschiedene Assets zu verteilen, um Klumpenrisiken zu vermeiden. Profis sprechen von einer breiten Diversifikation. Verluste bei einzelnen Anlagen können bestenfalls durch Gewinne bei anderen Anlagen ausgeglichen werden. Das Wertschwankungsrisiko eines stark diversifizierten Portfolios ist bei gleichem Renditepotential erfahrungsgemäß geringer als bei einem auf wenige Werte konzentrierten. Einfacher formuliert: Beim Investieren niemals alle Eier in einen Korb legen, dann ist es nicht so schlimm, wenn mal was Unerwartetes passiert.
Chancen nutzen und Risiken managen
Ein weiterer Vorteil der Vielfalt im Depot: Wer sich nicht auf den heimischen Markt beschränkt, kann auf der ganzen Welt nach dynamischen Wachstumschancen suchen, die es momentan direkt vor der Haustür weniger gibt. Das kann dann auch mal ein Onlinehändler wie Mercado Libre aus Uruguay sein, der derzeit interessantere Perspektiven bietet als der US-Marktgigant Amazon. Allerdings gehört es bei solchen Investments natürlich dazu, sich in Frage kommende Kandidaten sehr genau anzusehen. In einem stabil aufgestellten Portfolio gilt es, die Balance zwischen Chancen und Risiken zu wahren. Das heißt, es wird nicht nur darauf geachtet, ganz verschiedene Unternehmen etwa aus unterschiedlichen Branchen, Regionen, Währungsräumen zu mischen. Gleichzeitig kann eine gute Balance aus etablierten Klassikern und aufstrebenden Newcomern insgesamt mehr Stabilität bei vernünftigen Renditeaussichten bringen.
Zu einem solide aufgestellten Vermögensaufbau gehört es für uns zudem nicht nur auf Aktien zu setzen. Festverzinsliche Wertpapiere, Edelmetalle sowie ein Notgroschen auf dem Tagesgeldkonto runden eine strategische Vermögensallokation sinnvoll ab. Das macht ohne Frage mehr Arbeit, als sich einfach ein paar Werte aus dem DAX zu kaufen oder alles auf das Sparbuch zu legen. Aber unterm Strich ist es die beste Vorgehensweise, um langfristig Geld real erfolgreich anzulegen, ohne große Einzelrisiken einzugehen und Vermögen über Jahre und Jahrzehnte aufzubauen.
Die PDF wurde uns vom regionalen Wirtschaftsmagazin netzwerk südbaden zur Verfügung gestellt: netzwerk südbaden