- November 2023
- FVM News
Grau oder Glänzend?
„Betongold“ nennen viele die Investition in Häuser, Wohnungen und Gewerbeimmobilien, aber gerade ist die Anlageklasse eher grau als glänzend. Müssen sich Häuslebauer um den Wert ihrer vier Wände sorgen machen?
Von FVM-Geschäftsführer Claus Walter
Fast um zehn Prozent sind die Preise für Wohnimmobilien laut statistischem Bundesamt im Vergleich zur Jahresmitte 2022 in Deutschland gefallen. Gründe dafür gibt es viele. Zwei wichtige sind die enorm gestiegenen Bauzinsen und die immer weiter ausgebauten Anforderungen an Sanierungsmaßnahmen. Während eine durchschnittliche Finanzierung im Oktober 2021 noch im Bereich um 1 Prozent Zinsen pro Jahr kostete, muss heute eher mit über 4 Prozent gerechnet werden. Gleichzeitig sind die stattlichen Vorgaben für Energieeffizienz sowohl für Neubauten als auch für die Sanierung von Bestandsimmobilien in den zurückliegenden Jahren immer komplexer und kostenintensiver geworden. Baumaterialien haben sich noch dazu erheblich verteuert, so lagen die Preise zum Halbjahr laut offizieller Statistik etwa für Bausand 22,7 Prozent und für Zement sogar 41,7 Prozent über dem Niveau des Vorjahres. Mit anderen Worten: Es sind schwierige Zeiten für Häuslebauer. Aber auch als Investment durchlebt die Anlageklasse Immobilien eine schwierige Phase.
Platzt eine Immobilienblase?
In den vergangenen Jahren gab es an so manchem Ort eine enorme Entwicklung bei den Preisen für Betongold. In Städten wie München schienen sich die Bewertungen immer weiter von den erzielbaren Einnahmen zu entfernen. Diese Entwicklung scheint sich jetzt ein Stück weit zu normalisieren. Aber solche spekulativen Blasen sind bei Weitem nicht überall die Regel und die Immobilienmärkte stark regional geprägt. Der durchschnitt liche Kaufpreis pro Quadratmeter lag zum Beispiel in Freiburg 2022 bei 5.500 Euro, und ähnlich wie im gesamten Umland hat sich die Preisentwicklung zuletzt etwas abgeschwächt. Aber von einer geplatzten Blase oder einem Schnäppchenmarkt ist die Region weit entfernt. Der normale Hausbesitzer hier muss sich wenig Sorgen machen, dass seine vier Wände plötzlich nichts mehr wert sind. Dieser Gedanke steht bei selbstgenutzten Immobilien meist sowieso nicht im Vordergrund. Etwas anders ist die Lage bei vermieteten Objekten.
Erzielbare Rendite analysieren
Auch wenn es so scheint, dass die Inflation zumindest ein Stück weit eingebremst werden konnte, ist das Budget vieler Haushalte durch den Preisauftrieb stark belastet worden. Der Spielraum für Mieterhöhungen ist eher begrenzt, denn vor allem die steigenden Energiekosten trafen nicht nur die Mieter, sondern viele Unter-nehmen. Lohnanhebungen, die die höheren Kosten ganz ausglei-chen, dürften in vielen Bereichen nicht machbar sein. Gleichzeitig leiden einige Geschäfte gerade in den Innenstädten unter der Kaufzurückhaltung der Konsumenten, die dazu immer öfter auch noch das bequeme und vermeintlich günstigere Einkaufen im Internet bevorzugen. Außerdem hat die Erfahrung in der Coronazeit bei vielen Unternehmen zu einer Zunahme von Homeofficelösungen geführt. Dass jeder Mitarbeiter einen festen Arbeitsplatz mit eigenem Schreibtisch hat, ist heute keine Selbstverständlichkeit mehr, Büroräume können eingespart werden. Diese Trends gilt es bei einer genauen Rentabilitätsanalyse von Mietgebäuden, Gewerbeobjekten und Büroflächen einzukalkulieren. Das heißt nicht, dass es nicht noch eine Reihe von attraktiven Objekten gibt, aber Betongold ist momentan eher kein Selbstläufer.
Flexibel bleiben
Immobilien, das sagt schon der Name, haben einen großen Nachteil: Sie sind unbeweglich. Wer alles nur auf eine Karte setzt und sein ganzes Vermögen quasi zementieren möchte, wird unflexibel. Wir raten dazu, verschiedene Anlageklassen zu mischen. Im Idealfall heißt das, dass ein Vermögensaufbau nicht nur auf Immo bilien beruht, sondern auch auf Aktien, festverzinslichen Wert-papieren, Edelmetallen und einer ausreichend großen, schnell verfügbaren finanziellen Reserve. So kann man verhindern, dass bei Engpässen zum Beispiel eine Eigentumswohnung unter Druck verkauft werden muss. Denn momentan gibt es immer weniger Käufer, die sich so etwas noch leisten können.
Das bedeutet noch lange nicht, dass sich für Objekte gerade in Toplagen keine Interessenten finden. Aber um richtig gute Angebote zu bekommen kann Geduld und Durchhaltevermögen gefragt sein. Auf der anderen Seite gibt es wieder Gelegenheiten, bei denen sich nicht die Interessenten auf den Füßen stehen. Ob sich so etwas unter dem Strich lohnt, muss aber in jedem Einzelfall umfassend analysiert werden. Stimmen die Lage, die Mieteinnahmen und die Zukunftsaussichten, kann Betongold weiterhin ein wertvoller und stabiler Baustein in einem Vermögensaufbau sein - an jeder Ecke gibt es das aber nicht.
Die FVM-Kolumne erscheint monatlich im netzwerk südbaden:
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