- Dezember 2023
- FVM News
Womit müssen Anleger 2024 rechnen?
Einfach und konfliktlos ist weder die politische noch die wirtschaftliche Prognose für die nahe Zukunft. Aber wer Vermögen langfristig erhalten will, muss mit dem Schlechten leben und trotzdem das Gute sehen.
Kolumne von FVM-Geschäftsführer Claus Walter
Es sind keine einfachen Zeiten. Nach der Coronapandemie erholte sich die Wirtschaft zwar schnell, aber jetzt scheinen wir gerade in der alten Welt an Dynamik zu verlieren. Amerika, Japan und Deutschland zeigen ein Wachstum im Bereich um Null. Der Ukrainekrieg und die Krise im Nahen Osten verunsichern Konsumenten und Investoren. Insgesamt schätzten viele Experten die Lage am Jahresanfang 2023 nicht besonders positiv ein, stellvertretend sei hier die Überschrift über einem Ausblick des Internationalen Währungsfonds (IWF) genannt, der die Lage als „düster und ungewiss" beschrieb. Auch für das kommende Jahr sind die Experten nicht besonders optimistisch: „Die Weltwirtschaft humpelt vor sich hin, sie sprintet nicht", fasst das IWF-Chefvolkswirt Pierre-Olivier Gourinchas zusammen. An schwierigen Themen gibt es keinen Mangel: Neben den politischen und militärischen Konflikten belastet uns die Energiekrise, die Auswirkungen des Klimawandels sind immer öfter auch vor der eigenen Haustür spürbar. Gleichzeitig wird die internationale Zusammenarbeit, die zur Lösung globaler Probleme nötig wäre, schwieriger. Die Welt scheint politisch in neue Blöcke aufgeteilt zu werden, ein bipolares System mit USA-nahen Ländern auf der einen und dem Einflussgebiet Chinas auf der anderen Seite könnte das Ergebnis sein - mit schwerwiegenden Folgen für Wirtschaft und Handel. Keine guten Vorzeichen für eine exportstarke Wirtschaft wie die deutsche.
Nicht nur die Probleme sehen
Auch wenn vieles besser sein könnte - die Zahlen des globalen Wirtschaftswachstums sind gar nicht so düster: 2022 lag es bei 3,5 Prozent, im laufenden Jahr soll es um die drei Prozent liegen und die Prognose für 2024 ist mit einem Plus von 2,9 Prozent weit weg von einer weltweiten Rezession. Es ist richtig, dass gerade in Europa der Konjunkturmotor stottert und Deutschland im Wachstumsvergleich der Industrienationen ganz hinten landet. Ohne Frage gibt es hierzulande viel anzupacken und dringend wieder aufzuholen. Aber Anleger können frei wählen, welche Wirtschaftsräume oder Währungen sie bevorzugen und welchen Unternehmen sie zutrauen, am besten mit den kommenden Herausforderungen zurechtzukommen. Deswegen ist es auch sinnvoller, statt auf den Standort des Firmensitzes auf die Marktchancen bei der Aktienauswahl zu setzen. Die Dax-Konzerne erwirtschaften laut einer Morningstar Erhebung weniger als ein Drittel ihrer Umsätze in der Eurozone, knapp 25 Prozent erlösen sie in den USA und knapp 18 Prozent in Asien inklusive Japans.
Aber Vorsicht: Ganz rund läuft es derzeit an vielen Stellen der Welt nicht. Die Erwartungen sind nicht nur in Europa schwierig, auch in den USA ist die Stimmung gedämpft, zudem stehen Präsidentschaftswahlen an, die zu einem unangenehmen Déja-vu führen könnten. Auch in China sind die Exporte zuletzt zurückgegangen, und das dortige Regime muss sich mit ungewohnten Problemen wie Jugendarbeitslosigkeit auseinandersetzen. Wie lange sich die Bevölkerung die repressive Politik des Systems gefallen lässt, wenn das Versprechen auf wachsenden Wohlstand nicht mehr eingelöst wird, bleibt abzuwarten. Es sind Unsicherheiten wie diese, die es unmöglich machen, jeden Konflikt, jede Krise, jeden politischen Umsturz vorherzusagen. Überraschungen gab es und wird es immer wieder geben. Kluge Anleger ignorieren so etwas nicht, sondern managen die Risiken, aber nutzen auch die Chancen. Durch überlegte Strukturen, wie einer Mischung von verschiedenen Anlageklassen wie Aktien und Rohstoffen, aber auch festverzinslichen Wertpapieren von Staaten und Unternehmen lassen sich Wertschwankungen durch Überraschungen ein Stück weit ab-federn. Daneben ist es sicher klug, nicht nur auf den Euroraum, allein auf die USA oder gar einzig auf chinesischen Erfolg zu setzen. Wer nicht alle Eier in einen Korb legt, hatte gute Chancen, dass immer ein paar heil bleiben. Im besten Fall gleichen sich die Verluste einer Anlageart durch andere aus. Aber warum überhaupt auf schwankende Werte setzen und nicht einfach alles - wie übrigens noch immer die Mehrheit der Deutschen - auf Sparbüchern und Co. sammeln? Die schlimmen Inflationszeiten sind schließlich vorbei.
Geldwertverluste vermeiden
Die realistische Antwort: Wohl leider noch nicht ganz. Denn obwohl die allgemeine Inflationsrate, die in der Tagesschau gezeigt wird, sinkt, werden wir die Rückkehr der Preisstabilität wohl auch im nächsten Jahr nicht sofort erleben. Denn die aussagekräftigere Kerninflation, in der die stark schwankenden Energie- und Nahrungsmittel preise nicht berücksichtigt werden, geht bisher kaum zurück. Das und die derzeitigen oft zweistelligen Lohnabschlüsse bei den Tarifverhandlungen sowie die daraus resultierenden Zweit-und Drittrundeneffekte sprechen dafür, dass wir noch länger mit Preissteigerungen leben werden müssen. Die Zeiten, in denen die Kaufkraft von Vermögen allein durch klassische Sparprodukte erhalten werden können, sind in weiter Ferne.
Viele unterschätzen den negativen Effekt der Inflation, gerade beim Sparen für den Ruhestand. Schon zwei Prozent nicht ausgeglichener Inflation vernichten innerhalb von 15 Jahren fast ein Viertel der Kaufkraft. Anders gesagt: Wenn Sie 10.000 Euro auf ein nicht verzinstes Girokonto legen und 15 Jahre die Preise um lediglich zwei Prozent steigen, können Sie sich dann nur noch Waren im heutigen Wert von 7.430 Euro kaufen. Der Effekt ist der gleiche, wenn Sie ein Prozent Zins auf dem Sparbuch bekommen, die Inflationsrate aber drei Prozent beträgt. Natürlich besitzt niemand eine Glaskugel und kann zu hundert Prozent die Zukunft voraussagen. Aber eins ist sicher: Solange die Inflation über dem Zinsniveau liegt, wird Vermögen vernichtet. Nichts zu unternehmen ist also auf jeden Fall falsch.
Wer das verhindern möchte, sollte sein Vermögen aufteilen und sich unter anderem am Aktienmarkt umsehen. Denn auch wenn es viele Gründe gibt, dass die Kurse auch 2024 schwanken werden: Die Chance ist groß, dass Unternehmergeist die Herausforderungen der Zukunft bewältigen kann. Historisch betrachtet verfügen gut geführte Unternehmen über eine erstaunliche Anpassungsfähigkeit. Eine Beteiligung an ihrem Erfolg war und dürfte Vermögen wohl auch in Zukunft gut vor Geldentwertung und Krisen schützen.
Die PDF wurde uns vom regionalen Wirtschaftsmagazin netzwerk südbaden zur Verfügung gestellt: netzwerk südbaden