• Februar 2024
  • FVM News

Superwahljahr: Haben politische Börsen kurze Beine?

2024 stehen weltweit wichtige Wahlentscheidungen an. Müssen Anleger vor deren Ausgang zittern?

Kolumne von FVM-Geschäftsführer Claus Walter

Fast die Hälfte der Weltbevölkerung ist in diesem Jahr aufgerufen, zu den Wahlurnen zu kommen. 2024 werden zum Beispiel in Russland und Amerika Präsidenten sowie in Indien das Unterhaus gewählt. Auch das Europaparlament und so mancher deutscher Landtag steht zur Wahl. Ohne Frage gibt es einige besorgnis-erregende politische Perspektiven, wie eine Wiederwahl Donald Trumps ins Weiße Haus und ein Erstarken rechtsextremistischer Kräfte. Zu Recht wird in den nächsten Monaten viel über die Folgen für die Geopolitik und den Erhalt der Demokratie diskutiert werden. Was bedeuten diese Aussichten für Anleger, müssen sie je nach Wahlergebnis um ihr Erspartes bangen?
Grundsätzlich ist hier viel am alten Spruch dran, dass „politische Börsen kurze Beine haben". Im Großen und Ganzen überschätzen wir den Einfluss von Wahlen, politischen Richtungsentscheidungen und selbst geopolitischen Großereignissen auf die Märkte. Historisch betrachtet waren die Auswirkungen von eher kurzer Dauer. Ein Beispiel dafür ist der Angriff der Japaner auf die amerikanische Flotte in Pearl Harbour 1941, der kurzfristig zu Verlusten von rund 20 Prozent im Index S&P 500 führte. Aber schon nach weniger als einem Jahr waren diese wieder ausgeglichen. Einen ähnlichen Verlauf gab es zum Beispiel bei der Invasion des Iraks 1990. Hier war das Minus nach rund sechs Monaten egalisiert. Oder nach dem World Trade Center Attentat am 11. September 2001. Damals dauerte die Erholung am Markt sogar nur rund einen Monat. Ist es für die Märkte also im Prinzip egal, wer regiert? Werden sie selbst von Kriegen nur kurz zurückgeworfen?

Emotionaler als die Realität
Tatsächlich werden wirtschaftspolitische Fragen wesentlich emotionaler diskutiert als sie sich am Ende auswirken. Stehen zum Beispiel im November tatsächlichJoe Biden oder Donald Trump wieder zur Wahl, würde sich in der Folge an der schuldenfinanzierten US-Wirtschaftspolitik wohl kaum etwas Grundsätzliches ändern - egal wer danach im Oval Office sitzt. Daraus den Schluss zu ziehen, dass Politik überhaupt keine langfristigen Auswirkungen auf die Märkte hat, ist allerdings falsch. Ein verschärfter Konflikt mit China, den Trump zumindest im Wahlkampf in Aussicht stellt, wäre sicher eine enorme Belastung für den Welthandel und keine gute Nachricht für deutsche Exportunternehmen. Zudem könnte eine Eskalation in Taiwan weitreichendere Folgen haben als der aktuell immer noch tobende Krieg in der Ukraine.
Auch die amerikanische Branche der erneuerbaren Energien dürfte unter einem Präsidenten, der am Klimawandel zweifelt, wohl kaum zu den Gewinnern zählen. Zudem haben die Zinsentscheidungen der Zentralbanken unbestreitbar großen Einfluss auf die Märkte. Im Prinzip sind die zwar sowohl in den USA als auch in Europa unabhängig von den Regierungen. Aber es wäre naiv zu denken, dass es hier keine politische Einflussnahme gibt - etwas durch die Besetzung der Gremien oder vorauseilende Rücksichtnahme wie auf die Lage der Staatshaushalte in Süd-europa. Unwichtig sind Wahlergebnisse, geopolitische Verschiebungen oder thematische Schwerpunkte also sicher nicht. Im Einzelfall können politische Börsen sogar ziemlich lange Beine haben. Aber es gibt - das zeigen die Erfahrungen der Vergangenheit - sehr wahrscheinlich keinen Grund, als Anleger panisch auf Wahlergebnisse hinzufiebern, sofern ein wichtiger Grundsatz beachtet wird.

Strukturelle Vorsorge
Um einzelne Risiken aufgrund ungünstiger Entwicklungen in einem Staat, einer Branche oder einer Region zu begrenzen, gilt ein anderer alter Börsenspruch: „Nie alle Eier in einen Korb legen." Das klingt nach einer Binsenweisheit, ist aber tatsächlich eines der wichtigsten Prinzipien eines guten Risikomanagements in einer strategisch aufgestellten Anlagestruktur. Dazu werden zum Beispiel Aktien von Unternehmen aus verschiedenen Län-dern, Branchen und Währungsräumen gemischt. Der Einsatz von anderen Anlageklassen, wie Anleihen oder Edelmetallen, kann zusätzlich helfen, kurzfristige Schwankungen ein Stück weit abzufedern.
Denn im optimalen Fall können Verluste bei Problemen in einem Bereich durch Gewinne in anderen Bereichen begrenzt oder sogar überkompensiert werden. Niemand kann genau vorhersagen, wie die vielen Wahlentscheidungen, Konflikte und Krisen in diesem Jahr verlaufen. Natürlich werden sich auch Anleger auf die neuen Verhältnisse einstellen müssen und mit Spannung die Auszählungen verfolgen. Aber mit einer auf viele Standbeine diversifizierten Anlagestruktur können sie dem Superwahljahr relativ gelassen entgegensehen.

Die PDF wurde uns vom regionalen Wirtschaftsmagazin netzwerk südbaden zur Verfügung gestellt: netzwerk südbaden